Rechtliche Grundlage der Einkesselung weiter ungeklärt
Polizei gesteht Fehler bei der Kommunikation ein
Woidke fordert zu Anzeigen auf
Aus Sicht des Aktionsbündnisses Neuruppin bleibt bunt sind in der Sitzung des Innenausschusses am vergangenen Donnerstag wichtige Fragen unbeantwortet geblieben. Brandenburgs Innenminister Herr Dr. Woidke hat sich erwartungsgemäß vor die Polizei gestellt. Er hat lediglich Mängel in Kommunikation und Logistik eingeräumt. Im Übrigen ist er unmittelbar zum Angriff gegen das Aktionsbündnis übergegangen – es wären nur anonyme und haltlose Vorwürfe hinsichtlich des Polizeieinsatzes geäußert worden. Es lägen nur zwei Anzeigen vor, also wäre sonst soweit alles rechtens verlaufen. In Neuruppin solle man sich in Zukunft andere Formen des Protests überlegen usw..
„Wir weisen die Vorwürfe des Innenministers entschieden zurück“, betont Martin Osinski, Sprecher des Aktionsbündnisses. Das Aktionsbündnis trete seit 2007 kontinuierlich mit friedlichen Aktionen für Demokratie und Toleranz in Erscheinung. „Wir sind in diesem Jahr vom „Bündnis der Vernunft gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit“ ausgezeichnet worden. Dahinter steht unter anderen der Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Mehrere Regierungsmitglieder haben uns beglückwünscht und zum Weitermachen aufgefordert. Jetzt versucht der Innenminister, unser Bündnis öffentlich in Misskredit zu bringen.“
Aufmerksam und mit Respekt haben die Neuruppinerinnen und Neuruppiner die Worte von Polizeipräsident Arne Feuring verfolgt. Er hatte im Ausschuss eine Reihe von Unzulänglichkeiten des Polizeieinsatzes benannt, unter anderem Mängel in der Kommunikation, die wenig hilfreichen Anti-Konflikt-Teams und den phasenweise völlig fehlenden Polizeischutz der genehmigten Versammlung. „Herr Feuring hat sein Bedauern glaubhaft zum Ausdruck gebracht. Das ist schon ein Signal, dass dort das Nachdenken eingesetzt hat“ meint Martin Osinski.
Dennoch bleiben Fragen unbeantwortet, die für die mehr als dreihundert Betroffenen der Polizeimaßnahmen von großer Bedeutung sind. War das Umfeld der Sitzblockade frei zugänglich, solange sie von der Polizei als spontane Protestversammlung erlaubt war? Konnte man die Versammlung ungehindert verlassen, ohne in die abgeriegelte Poststraße zu müssen? Polizeipräsident Feuring versuchte die Antwort zu umgehen – möglicherweise sei der „Eindruck einer scheinbaren Umschließung“ entstanden, weil durch Umgruppierung der Einsatzkräfte sehr viel Polizei vor Ort gewesen sei. „Das ist eine Wortschöpfung, die den tatsächlichen Sachverhalt verschleiern soll. Selbst Polizeibeamte haben vor Ort das Wort „Kessel“ benutzt“, meint Pfarrerin Christiane Schulz, die sich dabei auf den veröffentlichten Bericht über die Ereignisse bezieht (–> Download des kompletten Berichtes als PDF). „Diese Einkesselung bedarf dringend einer rechtlichen Klärung; wir vermuten einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.“
Ebenso ist weiterhin offen, warum die Polizei über 300 Personen im zweiten Kessel zur Identitätsfeststellung hatte, obwohl nur ca. 100 Personen auf der Straße zur Sitzblockade saßen. Auch hier besteht die Frage: Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde hier gehandelt? Wurden hier auch Unbeteiligte festgehalten, durchsucht und der Identitätsfeststellung unterzogen?
Die Vorsitzende des Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Heilgard Asmus betonte, wie wichtig die Klärung dieser offenen Fragen in Hinsicht auf eine weitere erfolgreiche Arbeit gegen Rechtsradikalismus sei. Dazu müssten die Irritationen und Unklarheiten aus dem Weg geräumt werden. Denn es geht hier eben nicht um überflüssige „kleinteilige Debatten und Details der polizeilichen Einsatztaktiken und mehr oder minder einschlägige Verfassungsgerichtsurteile“, wie Herr Dr. Woidke meint, sondern um Fragen der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit für Bürgerinnen und Bürger. „Neuruppin bleibt bunt“ schließt sich diesen Forderungen an und hofft, dass nach der Ausschusssitzung sehr bald die rechtlichen Klärungen vorgenommen werden, damit sich das Aktionsbündnis endlich wieder seinen eigentlichen Aufgaben zuwenden kann.
Innenminister Dr. Woidke hat dazu aufgefordert, Anzeige zu erstatten, wenn man sich rechtswidrig behandelt fühle. Nur so könnten die Vorwürfe überprüft werden. Anzeigen muss diejenige oder derjenige, der geschädigt wurde, z. B. in der Ausübung seines Rechts auf Versammlungsfreiheit, wegen Nötigung oder wegen Freiheitsberaubung im Amt. Wer eine solche Anzeige erstatten will, kann sich beim Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt beraten lassen.
Martin Osinski, Sprecher des Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt
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